Bagger, Bomben, Bedenken und jede Menge Bürokratie rund um die Ruhrrenaturierung
Shownotes
Kennst du das Gefühl? Ein Fluss schlängelt sich durch deine Stadt, doch du bemerkst ihn kaum. Er ist eingezwängt in ein enges Korsett aus Beton, versteckt hinter dichtem Gestrüpp. Ein fast vergessener Nachbar, der nur dann in Erinnerung bleibt, wenn er bei Hochwasser über die Ufer tritt und die Keller flutet.
In Arnsberg im Sauerland hat man sich entschieden, diesen Zustand nicht länger zu dulden. Anstatt die Mauern weiter zu erhöhen, hat man sie einfach abgerissen. In meinem Podcast „Sprechstoff“ tauche ich ein in eines der spannendsten Umweltprojekte in Nordrhein-Westfalen: die Renaturierung der Ruhr.
Ich spreche mit Dieter Hammerschmidt, der als einer der Hauptverantwortlichen der Stadt dieses „Jahrhundertprojekt“ von Anfang an begleitet hat. Er erzählt, wie es gelungen ist, trotz leerer Stadtkassen clever Finanzierungen zu finden, wie aus anfangs skeptischen Bürgern begeisterte Unterstützer wurden und weshalb ein umgestürzter Baum im Wasser für die Natur ein wahrer Segen ist.
Erlebe die Geschichte, wie aus einem Kanal wieder ein lebendiger Fluss wurde – mit Kiesbänken, die zum Entspannen einladen, einer Tierwelt, die ihre Rückkehr feiert, und einem neuen Lebensgefühl für die gesamte Stadt. Eine fesselnde Reportage über Mut, Visionen und die Kraft der Natur. Hör jetzt rein!
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00:00:00: Die Ruhr sieht heute hier wieder so aus, wie sie sicherlich vor zwei, drei Hundert Jahren ausgesehen hat, bevor die Menschen hier im Ruhrtal angefangen haben, die Ruhr durch technische Verbau in ein enges Korsett zu zwängen.
00:00:23: Was tut man mit einem Fluss, den die eigene Stadt beinahe vergessen hat?
00:00:28: Ein Fluss, der über viele Jahre in ein Betonkorsett gezwängt wurde und sich nur bei Hochwasser mit aller Macht zurückmeldet.
00:00:35: In Ansberg hat man eine Antwort gefunden.
00:00:37: Man lässt ihn einfach frei.
00:00:39: In dieser Folge dreht sich alles um ein bemerkenswertes Jahrhundertprojekt, die Renaturierung der Ruhr.
00:00:44: Anfänglich schien es wie ein Kampf gegen Windmühlen.
00:00:47: Wie überzeugt man eine ganze Stadt, tonnenweise Beton abzubauen und stattdessen auf die ungezähmte Kraft des Wassers zu setzen?
00:00:55: Wie stellt man sicher, dass Fische wieder Leichtpartys feiern können, ohne dass die Anwohner eine Plage befürchten müssen?
00:01:01: Und die zentrale Frage, die jede Kommune beschäftigt, wie finanziert man ein derartiges kleines Wunder, wenn die Stadtkasse sowieso leer ist?
00:01:10: Darüber spreche ich mit dem Nähheimer Dieter Hammer-Schmidt.
00:01:13: Er war einer der Köpfe hinter diesem gewagten Projekt und teilt mit uns die Strategien, wie man nicht nur Bagger, sondern auch Bürokratie und Bedenken der Bürger in die richtige Richtung lenkt.
00:01:24: Ich bin Holger Bernhardt und wünsche viel Spaß beim Zuhören.
00:01:27: Ja, mein Name ist Dieter Amersch mit.
00:01:29: Ich war bis zum einendreißigsten zwölf des letzten Jahres zum Schlussleiter des städtischen Fachdienstes Umwelt und Ressourcenschutz und habe mich schon seit Circa vierzehn Jahre mit dem Thema Renaturierung von Fließgewässern beschäftigt und dieses Renaturierungsprojekt bei der Stadt Arnsberg, entsprechend über diesen langen Zeitraum, initiiert, begleitet und mit vielen Kolleginnen und Kollegen umgesetzt.
00:01:59: Ich bin verheiratet und Vater von zwei Kindern, die beide noch am Studieren sind.
00:02:04: Von da sind auch noch keine Engelkinder da und genieße jetzt an der schönen Rom einen Ruhestand.
00:02:10: Moin Herr Hammerschmidt.
00:02:11: Guten Morgen Herr Bernhard.
00:02:12: Wenn Sie heute an der Ruhe stehen an einem der renaturierten Abschnitte, wie wir das jetzt hier alles vor Augen haben.
00:02:20: Was geht Ihnen da durch den Kopf?
00:02:21: Sind Sie stolz auf das, was erreicht wurde?
00:02:24: Oder denken Sie schon an das nächste große Projekt?
00:02:27: Ja, ich denke, ich kann schon tatsächlich etwas stolz sein auf das, was ich oder besser gesagt, wir erreicht haben.
00:02:33: Denn dieses Projekt an der Ruhr habe ich ja nicht alleine umgesetzt.
00:02:37: Dazu habe ich die Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen aus der Verwaltung benötigt.
00:02:44: Aber auch das ganze Projekt war eine umsetzbar aufgrund der guten Zusammenarbeit mit den zuständigen Wasser- und Naturschutzbehörden.
00:02:51: Hand aufs Herz.
00:02:52: Als das Vorhaben begann, waren da mehr skeptische Blicke oder eher begeisterte Unterstützer.
00:02:58: Tatsächlich war bei unserem ersten Projekt der Widerstand sehr groß.
00:03:02: Wir haben in der Alt-Ansberg versucht, direkt in der Innenstadt eine Maßnahme umzusetzen.
00:03:07: Dort gab es erhebliche Widerstände.
00:03:09: Es hat sogar zwei Bürgerversammlungen gegeben.
00:03:11: Wir mussten daraufhin das Projekt etwas umplanen, konnten es dann aber umsetzen und ... Nachdem die erste Hochwasserkatastrophe zeichte, dass Renaturierungen auch für den Hochwasserschutz nützlich sind, war auch die Skepsis in Alt-Arnsberg verschwunden.
00:03:29: Für
00:03:29: diejenigen, die Arnsberg nicht kennen, können Sie uns die Ruhe von vor zwanzig Jahren beschreiben.
00:03:35: War das ein trister Kanal, versteckt hinter Sträuchern?
00:03:37: oder hatte der Fluss noch eine echte Bedeutung für die Menschen damals?
00:03:42: Die Ruhe fließt das Stadtgebiet von Ost nach West auf eine Länge von dreiunddreißig Kilometer.
00:03:48: Man kann sich das vielleicht nicht vorstellen, vor zwanzig Jahren war die Ruhe noch komplett mit Befestigungen auf beiden Ufern versehen.
00:03:58: Das heißt, wir hatten einen kanalartig ausgebauten Fluss, der sich weder nach links noch rechts verändern konnte, sondern sich immer nur in die Tiefe eingegraben hat und von daher für die Ansberger Bürgerschaft eigentlich kaum noch erlebbar war.
00:04:14: In ihrer Projektbeschreibung steht, der Fluss zeigte sich nur noch bei Hochwasser.
00:04:19: Das klingt nicht gerade nach einem beliebten Nachbarn.
00:04:22: Ja, das ist so, denn... Die Ruhe führt regelmäßig Hochwässer.
00:04:28: Während meiner Dienstzeit sind diverse Hochwässer durch die Ruhe gegangen.
00:04:32: Aber auch in der Vergangenheit hat es schon große Hochwasserschäden gegeben.
00:04:37: Es gibt im Archiv der Stadt Aufnahmen, so von hier, die zeigen, dass zum Beispiel in Nähheim das gesamte Binnerfeld, das heute ein großes Wohnraumgebiet ist, komplett überschwemmt war.
00:04:49: Das heißt, durch die Baumaßnahmen wurde der Fluss eingeengt, das Tal wurde immer dichter besiedelt und mit jedem Hochwasser wurden die Schäden an der Ruhr natürlich immer größer.
00:05:00: War
00:05:00: der Hochwasserschutz der Hauptgrund für das gesamte Vorhaben?
00:05:03: Nein, ursprünglich tatsächlich nicht.
00:05:06: Es gibt seit deiner Zeit die EU-Wasserrahmenrichtlinie, wonach alle Gewässer in der EU in einen guten ökologischen Zustand zu versetzen sind.
00:05:16: Das war eigentlich so die Kernaufgabe.
00:05:18: Die Ruhe ist zwar schon seit nineteen-neunzig der Durchschutzgebiet.
00:05:23: Das hängt mit der vergleichsweise guten Gewässergüte und der vorhandenen Unterwasser-Vegetation, insbesondere im Flutendem Hanenfluss zusammen.
00:05:35: Aber die Strukturgüte war ja, wie ich eben schon ausgeführt habe, durch die Verbauung eher schlecht.
00:05:41: Das war der eigentlich Anlass für uns, mit diesem Renaturierungsprojekt Ruhe zu beginnen.
00:05:46: Warum ist es hier so laut?
00:05:48: Ja, obwohl wir hier mitten in der Natur sitzen, ist die Autobahn nur fünfzig Meter Luftlinie von uns entfernt.
00:05:54: Und da ist Regalverkehr, das ist die A四zig.
00:05:58: Genau, das ist die A四zig und die würde man heute wahrscheinlich nicht mehr hier hinlegen.
00:06:04: Aber in den Sechziger, Siebziger Jahren, als die Planung anfing, hat man über solche Sachen noch nicht nachgedacht.
00:06:11: Ein komplettes Flussbett mitten in der Stadt umzugestalten, das klingt nach einer riesigen Herausforderung.
00:06:18: Wie kommt man auf so eine Idee?
00:06:20: War das ein jetzt oder nie Moment?
00:06:22: Ja, das war tatsächlich wirklich die Überlegung, den Fluss wieder mehr Freiheiten zu geben.
00:06:29: Wie gesagt, es war schon Naturschutzgebiet, auch mit festgesetzten Überschwemmungsgebieten.
00:06:35: Und von daher haben wir dann irgendwann gesagt, das ist eine Chance.
00:06:39: diesen Fluss wieder mehr Raum zu geben.
00:06:42: Angefangen haben wir tatsächlich dann auch mitten in der Stadt.
00:06:45: Das war wirklich die Überlegung zu sagen, wir zeigen den Bürgern, wie schön ein Naturnawafels aussehen kann.
00:06:55: Sie haben ja nicht einfach nur ein bisschen gegraben.
00:06:58: Sie haben dem Fluss Platz gegeben und auf seine Eigendynamik gesetzt.
00:07:02: Könnten Sie das für uns etwas einfacher erklären?
00:07:05: Ja, wir haben das Flussbett auf das zwei teilweise drei bis vierfache verbreitert und haben dann aber den Flusslauf gar nicht profiliert weiter, sondern wir haben wirklich eine eben Flussfläche oder Gewässersole geschaffen.
00:07:24: Das Einzige, was wir tatsächlich gemacht haben, wir haben so gesammte Niedrigfasserinnen vorprofiliert, die vor dem ersten Hochwasser sicherstellten, dass die Fische weiterleben konnten.
00:07:36: Aber ansonsten haben wir es den typischen Hochwässern an der Ruhe gelassen, in diesem Bereich den Flusslauf eigenständig zu gestalten.
00:07:45: Also haben Sie den Baggerfahrern gesagt, lasst es locker angehen und lasst den Fluss seinen Weg finden.
00:07:50: Ja, genau so.
00:07:51: Wir haben den einfach gesagt, Hier ist die maximale Breite, links und rechts, sie ist abgesteckt und holt alles raus, bildet hier eine ebene Fläche für den Fluss.
00:08:02: Was war die außergewöhnlichste Maßnahme, die ergriffen wurde?
00:08:05: Mussten Sie den gerade entstandenen Ruhetalradweg verlegen oder gab es da Proteste von den Radfahrern?
00:08:11: Die
00:08:11: außergewöhnlichste Maßnahme war tatsächlich der Einbau von Flusskies, den wir in einer anderen Maßnahme gewonnen haben.
00:08:18: Wir hatten ungefähr Zehntausend Kubikmeter Flusskies, der aber nicht auf eine Deponie gebracht worden werden sollte.
00:08:25: Deshalb haben wir einen anderen Gewässerabschnitt im Bereich Niedereimer gesucht und haben dort diesen Flusskies auf die vorhandene Gewässersohle geschüttet.
00:08:35: Das war an der Ruhe ein erstmaliges Projekt und alle Beteiligten waren sich unsicher, ob das auch funktionieren würde oder ob der Fluss nicht einfach in diesem aufgeschütteten Kies verschwindet.
00:08:47: Aber wir müssen sagen, toi, toi, toi, es hat Sehr gut funktioniert und wir konnten in dem betreffenden Bereich den Fluss, die Flusssohle um ca.
00:08:56: ein Meter fünfzig anhöhen, mit der Folge, dass bei Hochwasser der Fluss wieder leichter über die Ufer treten kann, was für eine natürliche... da in der Turna-Talaue von großer Bedeutung ist.
00:09:10: Ein großer Vorteil bei diesem Gewässerabschnitt war, dass die Flächen links und rechts des Flusses in städtischen Besitz waren und nicht intensiv landwirtschaftlich genutzt wurden.
00:09:19: Von daher haben wir dadurch keine zusätzlichen Schäden angerichtet.
00:09:23: Die Verlegung des Rurthalradweges, gerade hier näher im Ebinnerfeld, war kein großes Problem, weil wir Die neue Radwicht-Trasse schon fertig hatten, bevor wir mit den eigentlichen Arbeiten am Fluss begonnen haben.
00:09:39: Das heißt, der Radwicht war im Sommer gerade mal für vier, fünf, sechs Wochen vielleicht gesperrt und da war eine entsprechende Umleitung ausgewiesen.
00:09:48: Aber wenn Sie heute den Urteil Rettwig hier gerade näher mit Binnerfeld langfahren, werden Sie sehen, wie das wunderbar gelungen ist und wie man auch vom Fahrrad aus den Fluss wieder erleben kann.
00:10:00: In
00:10:00: den Unterlagen ist die Rede von schlafenden Sicherungen und dem Einbringen von Totholz.
00:10:05: Das klingt für viele vielleicht etwas seltsam.
00:10:07: Warum ist ein Toderbaum im Wasser gut für einen lebendigen Fluss?
00:10:11: Ja, Totholz ist ein ganz wesentlicher Bestandteil von natürlichen oder naturnahen Gewässern.
00:10:18: Das dient einerseits zur Strömungslenkung, andererseits entstehen unter so Totholz, Hölzern, Kolke, in denen sich Fische aufhalten und Schutz finden.
00:10:30: Aber Totholz ist also auch Nahrung für verschiedenste Arten von Insekten.
00:10:36: Von daher ein entscheidender Bestandteil für den Fluss.
00:10:41: Schlafende Sicherung hört sich lustig an, aber es ist tatsächlich so ... Die Ruhr fließt ja in einem intensiv besiedelten Talauer der Ruhr.
00:10:49: Und wir haben rechts und links des Flusses zahlreiche Infrastruktureinrichtungen.
00:10:54: Das ist hier in Nermem-Binnerfeld.
00:10:56: Auf der linken Seite die Eisenbahn, ein großer Stauraumkanal.
00:11:00: Auf der rechten Seite haben wir die Autobahnen und Gas- und Stromleitung, Telefonleitung.
00:11:07: Das heißt, wir konnten dem Fluss nur begrenzt Platz geben.
00:11:10: Und deshalb haben wir zum Beispiel entlang des Radweges eine große Ein großen Graben ausgehoben haben da Wasserbausteine eingebaut und haben das Ganze wieder mit Boden überdeckt.
00:11:22: Das heißt, erst diese Sicherung ist im Moment nicht zu sehen und die Ruhr kann sich also nach links oder rechts bis zu diesen Sicherungen ausweiten.
00:11:31: Aber dann kommen diese Sicherungen zum Einsatz.
00:11:34: Das heißt, aktuell schlafen sie.
00:11:36: Jetzt zur entscheidenden Frage, Herr Hammer-Schmidt.
00:11:39: Ein solches Projekt kostet Millionen, aber die Stadt Arnsberg hatte nicht viel Geld.
00:11:43: Wie haben Sie es geschafft, dass es für die Stadt fast kostenneutral war?
00:11:47: Ja, wir haben bislang an der Ruhe... Zirka dreizehn, fünf Millionen Euro verbaut, haben dazu achtzig teilweise neunzig Prozent Landesmittel bekommen, aber es blieb natürlich ein erklecklicher Eigenanteil für die Stadt Ahnsberg.
00:12:01: Da muss ich jetzt auch mal etwas weiter ausholen noch.
00:12:04: Im Bundesnaturschutzgesetz ist vorgesehen, dass es für Eingriffe in den Naturhaushalt ein Ausgleich zu bringen ist.
00:12:12: Und für diese Ausgleichsmaßnahmen können vielfältig sein.
00:12:17: Das kann die Extensivierung von Grünflächen sein, das kann anpflanzen von Laubwäldern sein oder von Hecken, aber es können eben auch Gewässerrenaturierungen sein.
00:12:29: Und wir haben uns schon vor der Umsetzung der ersten Maßnahme mit der Unternaturschutzbörde zusammengesetzt und diskutiert.
00:12:37: wie wir diese Gewässerinaturierung als sogenannte ökologische Ausgleichsmaßnahme anerkennen lassen können.
00:12:43: Und da haben wir uns darauf geeinigt, dass an diesen Maßnahmen nur der städtische Eigenanteil an den Kosten als Maßnahme anerkannt wird.
00:12:53: Und da muss man auch nochmal wieder sagen, wenn zum Beispiel eine Straße gebaut wird, muss halt der Straßenbaulastdäger diesen ökologischen Ausgleich bringen, muss auch die Kosten dafür übernehmen.
00:13:06: Das heißt, wir konnten dann im Straßenbaulastträger oder auch dem Bauherrn in neuen Wohngebieten einen ökologischen Ausgleichsmaßnahmen anbieten und die mussten uns die Kosten dafür erstatten.
00:13:18: Und das konnten wir mit allen Renaturierungen machen und von daher sind diese Maßnahmen für die Stadt sehr kostenwünftig gewesen.
00:13:29: der über ein Ökokontoree finanziert wird.
00:13:32: Das klingt wirklich clever.
00:13:33: Mussten Sie viel Überzeugungsarbeit beim Kamera leisten oder fand er das Konzept sofort gut?
00:13:39: Also, anfangs mussten wir schon etwas Überzeugungsarbeit leisten, insbesondere was der Aufbau eines Ökokontos angeht.
00:13:46: Aber wir haben ihm dann am Beispiel eines neuen Bebauungsplans vorberechnet, wie viel Ackerland wir für die Umsetzung... der erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen kaufen mussten, was uns damals auch noch gar nicht gehörte.
00:14:03: Und wie praktisch es wäre, wenn wir so eine Renaturierungsmaßnahme nehmen, wo die Maßnahme schon in der Planung war, der sogar schon umgesetzt war und wir vergleichsweise kostenwünftig auch diesen ökologischen Ausgleich zur Verfügung stellen konnten.
00:14:22: Und speziell der Aufbau eines Ökokontos heißt, wir können Maßnahmen im Vorgriff auf einen vermeintlichen Eingriff machen und teilen das der untere Naturschutzbehörde mit, dass wir diese Maßnahmen umgesetzt haben.
00:14:36: Und wenn wir dann wirklich eine Baumaßnahme, die Straßenbau oder ein Wohngebiet haben, dann können wir einfach sagen, wir haben da diese Maßnahmen umgesetzt und diese Maßnahmen ordnen wir jetzt diesem Eingriff in die Natur zu.
00:14:49: Das bedeutet, dass Planverfahren deutlich schneller rechtskräftig werden können, als wenn man dann erst im eigentlichen Verfahren herkommt und nach einer Ausgleichsmaßnahme suchen muss.
00:15:00: Am Anfang gab es sicher Bürgerinnen und Bürger, die dachten, oh Gott, jetzt wird hier alles aufgewühlt und am Ende haben wir eine Mückenplage.
00:15:08: Wie haben sie die Menschen überzeugt und aus Skeptikern Unterstützer gemacht?
00:15:13: Ja, das war tatsächlich die Maßnahme in Ansberg, wo das Thema Mückenplage hochkam und wir konnten es auch nicht ausräumen.
00:15:20: Wir mussten umplanen, wobei es im Grunde genommen Unsinn war, denn Mückenplagen entstehen nur an stehenden oder ganz langsam fließenden Gewässern.
00:15:29: In Flüssen wie hier in der Ruhr, im Mittelgebirge gibt es keine Mückenplagen, weil zum Beispiel die Forellen im Großteil der Insektenlarven wegfressen.
00:15:41: Aber wir mussten es umplanen, haben es gemacht.
00:15:44: Es gab auch keine Mückenplagen in Alt-Arnsberg und spätestens nach dem Hochwasser Was in Ansberg schon erhebliche Schäden verursacht hat, zeigte sich aber, dass die Renaturierung, also auch zeigte sich auch für die Bevölkerung des Renaturierungsmaßnahmen, auch effizienter Hochwasser-Schutzmaßnahmen sind.
00:16:04: Und von daher, weil die Skepsis in Ansberg dann auch vorbei.
00:16:07: In der Broschüre zum Projekt steht, die Bevölkerung hat ihren Fluss wieder entdeckt.
00:16:12: Gab es einen besonderen Moment oder eine Anekdote, bei der sie das zum ersten Mal richtig gespürt haben?
00:16:18: Ja, das war tatsächlich die erste Baumaßnahme in Ansprache in der Mengen Wiese, noch während der Bauphase.
00:16:24: haben schon die ersten Kinder im neuen Gewässerabschnitt geplanscht und gespielt und haben schon da die Ruhe wieder für sich entdeckt.
00:16:33: Jetzt gibt es sogar Kunstprojekte am und im Fluss und neue Cafés.
00:16:37: Ist die Ruhe vom ungeliebten Kind der Stadt zum neuen Hotspot geworden?
00:16:41: Ja, ich denke, das kann man wirklich so sagen.
00:16:44: Dadurch, dass wir die Ruhe in vielen Abständen im Stadtgebiet renaturiert haben, ist sie in vielen Bereichen auch wieder zugänglich geworden.
00:16:52: Das heißt, Die Arnsberger und Arnsbergerinnen konnten einfach wieder ans Wasser, was vorher bei den Stallenufer nicht möglich war und das haben sie auch weitlich ausgenutzt.
00:17:02: Hier gibt es Abschnitte, wenn sie da im Sommer hinkommen, da meinen sie, sie wären irgendwo in einem Freibad.
00:17:09: Sie finden kaum noch einen freien Liegeplatz.
00:17:12: Hatte aber zur Konsequenz, ich hatte eben schon erwähnt, wo es Naturschutzgebiete, damit gilt eigentlich ein allgemeines ein absolutes Betretungsverbot.
00:17:21: Wir haben uns dann entsprechend mit der unsere Naturschutzbehörde zusammengesetzt und haben bei der Neuaufstellung des Landschaftsplans, der auch den Naturschutz an der Ruhe regelt, verschiedene Bereiche in allen Stadtgebieten festgelegt, wo man inzwischen wieder legal an und ins Wasser darf.
00:17:41: Wir sitzen hier gerade in nähermem Binnerfeld genau an so einer Stelle.
00:17:45: Der Hochwasserschutz wurde verbessert.
00:17:48: Gab es bereits eine Bewährungsprobe, bei der sich gezeigt hat, dass das System wirklich funktioniert?
00:17:55: Ja, definitiv.
00:17:56: Auch da möchte ich vielleicht doch mal etwas weiter ausholen.
00:18:00: Wir hatten ja schon mit den ersten Renaturierungsplanungen so um zweitausend begonnen.
00:18:05: Und dann gab es zweitausend drei, den sogenannten Hochwasseraktionsplanen damals doch vom staatlichen um mit Amt Duisburg den Hochwasser-Aktionsplan für die Ruhe, der die potenziellen Schäden bei einem hundertjährlichen Hochwasser ermittelt hat.
00:18:22: Und für Ansberg war es ein Schock, weil fünfzig Prozent aller Hochwasserschäden im Bereich der Stadt Arnsbech anfangen sollten.
00:18:32: Dieser Hochwasseraktionsplan hat sieben Bereiche, kritische Bereiche im Stadtgebiet definiert, die besonders vom Hochwasser gefährdet waren.
00:18:41: Und aufgrund unserer Erfahrung aus den Planungen haben wir einfach angefangen, Renaturierung auch dort zu planen, wo auch Hochwassergefahren bestehen.
00:18:55: Und spätestens beim Hochwasser, was ja in vielen Bereichen katastrophal war, hat sich gezeigt, dass die Renaturierung wunderbar auch als Hochwasserschutzmaßnahmen funktionieren.
00:19:07: Die
00:19:07: Fische scheinen die neuen Bedingungen ja zu mögen.
00:19:09: Bachforellen und Eschen sind zurück.
00:19:11: Muss man als Angler jetzt mehr Geduld haben oder eher weniger?
00:19:15: Tatsächlich eher weniger, denn aufgrund der verbesserten Gewässerstrukturen haben die Fischbestände auch deutlich zugenommen.
00:19:24: Hier in diesem Bereich im näheren Binnerfeld gibt es eine Untersuchung, die über zehn Jahre durchgeführt wurde.
00:19:30: Der Auftrichtgeber war die Bezirksregierung, die ganz klar nachgewiesen hat, dass der Bestand an Fischen deutlich zugenommen hat.
00:19:39: Das Projekt hat viele Preise gewonnen.
00:19:41: Blauer Kompass ist einer oder ausgezeichneter Ort im Land der Ideen.
00:19:46: Welcher Preis hat ihn persönlich am meisten Freude bereitet?
00:19:49: Tatsächlich war das die Auszeichnung... als Klimaaktive Kommune, das ist ein Preis, der vom Deutschen Institut für Urbanistik und dem Bundesumweltamt verliehen wurde und das ist sicherlich in diesem Bereich die höchste Auszeichnung, die sie in Deutschland erreichen können.
00:20:11: Wo gab es die größten Herausforderungen?
00:20:13: Verlegte Leitungen im Boden, alte Wehre von Wasserkraftwerken?
00:20:17: Und was war die größte Schwierigkeit, die Sie meistern mussten?
00:20:20: Die größte Herausforderung war tatsächlich der Grunderwerb.
00:20:24: Denn wir hatten eigentlich als Maßgabe, wir bauen nur dort, wo wir als Stadt auch Grundstückseigentümer sind.
00:20:32: Denn wenn wir eine Wiese wegbaggern, verliert sie natürlich in Wert.
00:20:39: Und das war aber schon wirklich schwierig, weil wir im ganzen Stadtgebiet auch viele langwierige Grundstücksverhandlungen führen mussten.
00:20:50: Persönlich für mich die schwierigste Situation war tatsächlich eine Baumaßnahme im Bereich der Möhnemündung.
00:20:57: Dort wurde während der Bauarbeiten eine Weltkriegsbombe gefunden, allerdings nicht beim Aufladen, sondern erst als der Bodenausrub.
00:21:08: Abgeladen wurde in der Nähe der Autobahn A-II und dort diese Bombe vom Lkw-Kulatte.
00:21:14: Das war für uns natürlich wirklich ein Schock und ich musste am Wochenende noch kurzfristig entscheiden, die Baustelle stillzulegen und zunächst den Kampfmittelräumendienst nochmal über die Fläche gehen zu lassen, um nach weiteren Bomben zu sondieren.
00:21:31: Aber zum Glück.
00:21:32: war es tatsächlich nur die einzige und es ist nichts passiert.
00:21:35: Toi, toi, toi.
00:21:36: Das Ganze wird ja als Jahrhundertprojekt bezeichnet.
00:21:39: Ist man damit jemals fertig oder gibt es immer etwas zu tun?
00:21:43: Was sind die nächsten Schritte?
00:21:44: Ja, es ist tatsächlich ein Jahrhundertprojekt, aber ich denke, wir sind schon recht gut vorangekommen.
00:21:52: Wir konnten durch das Renaturierungsmaßnahmen inzwischen vier von sieben kritischen Hofwasser bereichen.
00:21:59: vor einem hundertjährlichen Hochwasserschützen.
00:22:02: Aktuell läuft noch eine weitere Renaturierungsmaßnahme, besser gesagt, sie ist noch im wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren und die Stadt ist inzwischen dabei, technische Hochwasserschutzmaßnahmen zu planen.
00:22:15: So ist gerade im Bereich Hüsten ein großes Projekt auch im wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren.
00:22:23: Das heißt, wir sind eigentlich erst mal auf einem guten Weg und haben oder können auch kurzfristig viele kritische Stellen im Stadtgebiet schützen.
00:22:34: Aber was mir persönlich sorgebereit, und ich denke auch, der Stadt ist wirklich das Thema Starkring und Klimawandel.
00:22:40: Wir wissen nicht, wie sich die Hochwassersituation in den nächsten fünfzig oder hundert Jahren weiterentwickelt und ob nicht noch weitere Maßnahmen erforderlich sind.
00:22:50: Aber sowas wie im Ahrtal kann hier nicht passieren?
00:22:53: Schwer zu sagen, ich denke eher nicht.
00:22:56: weil wir insgesamt dem Fluss auch schon deutlich mehr Platz gegeben haben, als er jemals im Ahrtal haben wird.
00:23:05: Wenn
00:23:05: jetzt ein Bürgermeister oder eine Bürgermeisterin aus einer anderen Stadt anruft und sagt, Herr Hammer-Schmidt, ich will auch so einen lebendigen Fluss, was ist der eine oder wichtigste Ratschlach, den Sie den Bürgermeistern geben würden?
00:23:18: Ich würde dem Bürgermeister sagen, kommen Sie einfach erst mal vorbei und wir reden darüber.
00:23:22: Und ich zeichne, wie es uns aussieht und dann können wir Ihre Situation besprechen.
00:23:27: Fakt ist aber, dass das in der Vergangenheit schon häufig passiert ist, zwar nicht direkt die Bürgermeister, aber die entsprechenden, verantwortlichen in anderen Kommunen.
00:23:35: Paradefall ist Bestwicht zum Beispiel, aber wir haben in den letzten fünfzehn Jahren, ich weiß nicht, wie viele Führungen für interessierte andere Behörden durchgeführt.
00:23:46: Schauen Sie mal bitte auf dieses Stück Totholz.
00:23:48: Da liegen meine Impulskarten gut gemischt.
00:23:51: Wenn Sie bitte eine ziehen, laut vorlesen und dann bitte auch spontan antworten.
00:23:57: Du fliegst zum Mund und nimmst eine Person mit wem und warum.
00:24:02: Meine Frau.
00:24:03: Weil ich sie auch nach vierzig Jahren immer noch liebe.
00:24:05: Mit diesen warmen Worten bei herrlichem Sonnenschein hier an der Ruhr verabschiede ich mich.
00:24:11: Vielen Dank, Herr Hammerschmidt und ich wünsche Ihnen alles Gute und bis zum nächsten Mal.
00:24:15: Ciao, ciao, Herr Bernhard.
00:24:20: Das war
00:24:20: Sprechstoff,
00:24:21: der Podcast mit Holger Bernhard.
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